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Expeditionen in Mittelamerika


 

Die ausgedehnten Expeditionen, die Alfred P. Maudslay im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts unter denkbar schwierigen Bedingungen in Mittelamerika unternahm, führten ihn zu den versunkenen Maya-Stätten in Guatemala, Mexiko und Honduras - versunken nicht nur im Dschungel, sondern auch weitestgehend versunken im Gedächtnis der Menschen.

John Lloyd Stephens 1859 Gerade erst wenige Jahrzehnte zuvor hatten John Lloyd Stephens und Frederick Catherwood eine Reise durch Mittelamerika unternommen, im Verlauf derer sie mehrere Ruinenorte in Honduras, Guatemala und Mexiko entdeckten. Durch ihre 1841 erschienene vierbändige Reisebeschreibung rückten sie die Hinterlassenschaften der Maya-Kultur erstmals ins Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit. Stephens´ und Catherwoods "Incidents of Travel in Central America, Chiapas and Yucatan" und die Beschreibung ihrer folgenden Reise "Incidents of Travel in Yucatan" von 1843 waren auf eine begeisterte Leserschaft gestoßen, und beide Bücher erlebten als wahre Bestseller mehrere Auflagen - doch eine wissenschaftliche Erforschung der von Stephens lebendig beschriebenen und von Catherwood meisterhaft gezeichneten Ruinen war nicht begonnen worden, ehe Alfred Maudslay 1881 guatemaltekischen Boden betrat.


Auch Maudslay hatte die Reiseberichte von Stephens und Catherwood mit Faszination gelesen. Wie genau es dazu kam, daß er nach seinem Austritt aus dem Staatsdienst im West-Pazifik beschloß, sich fortan der Archäologie zu widmen, teilt er allerdings nicht mit - auch wenn einige Einflüsse auf diesen Entschluß durchaus erkennbar sind.

Auf Fiji hatte Baron von Hügel, der jugendliche und begeisterungsfähige Reisende in Sachen Ethnologie, Maudslay sicherlich mit seinem Interesse an den Sitten und Gebräuchen der verschiedenen Völker angesteckt. Während in der Karibik und in Australien die Ornithologie noch Maudslays hauptsächliches Hobby gewesen war, begann nun, das Interesse an Ethnologie überhand zu nehmen.80
Die lebendigen Beschreibungen Maudslays in seinen Briefen an seine Familie zeigen, daß er auf seinen Reisen auf den verschiedenen Inseln Fijis, Samoas und Tongas begann, verstärkt auf die Lebensweisen der Einheimischen achtzugeben.

Auf Tonga unternahm Maudslay dann seine, so scheint es, ersten Ausgrabungen. Als er im November 1878 eine Woche in Mua, der alten Hauptstadt von Tonga und Heimat der Tui Tongas, der ehemaligen heiligen Könige von Tonga, verbrachte, widmete er zwei Tage der Untersuchung der alten, aus riesigen Steinen gebauten Tui Tonga-Gräber, die sich in der Nähe befanden. Die Steine dieser Gräber waren offenbar in großen Kanus von der 500 Meilen entfernten Insel Uvea (Wallis Island) hergebracht worden.81 Maudslay gelang es, Gara-ni-valu82, einen Abkömmling der Tui Tongas, für die Gräber zu interessieren. Mit ihm säuberte er eines der Gräber vom Unterholz und ließ sich vom Chief versprechen, daß sie nach der Yams-Anpflanzung ein großes Fest geben würden, wobei dann das ganze Dorf heraus zu den Grabanlagen kommen und sie vollständig säubern würde.
In den Folgemonaten reiste Maudslay vielbeschäftigt zwischen Tonga, Fiji und Samoa hin und her, ehe er schließlich etwa ein Jahr später den Staatsdienst quittierte, und so kam es wohl nicht mehr zu der geplanten Ausgrabung bei den Tui Tonga-Gräbern. Doch das archäologische Fieber hatte Maudslay anscheinend gepackt.

Dschungel bei Palenque heuteWeitere Einflüsse auf Maudslays Entschluß, archäologisch tätig zu werden, mochten auch von seinem Cousin Thomas Henry Maudslay, der Ausgrabungen in Jerusalem durchgeführt hatte, und von J.W. Clark, seinem alten Freund und begeistertem Archäologen aus Cambridge, ausgegangen sein.83

Wie auch immer - als Maudslay im Dezember 1880 Richtung Guatemala reiste, hatte er keineswegs nur, wie später84 gern beteuert, die Absicht, dem englischen Winter entfliehen, sondern verfolgte bereits das Ziel, Quiriguá und Copán näher zu untersuchen. Und bereits die erste Ruinenstätte, die er besuchte, Quiriguá, sollte ihn, "as the curious outlines of the carved ornament gathered shape"85, verzaubern und sein andauerndes Interesse an der mittelamerikanischen Archäologie verursachen - ein Interesse, dem er in den Folgejahren in sieben ausgedehnten Expeditionen nachgehen würde.

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