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Einführung


Zunächst hatte wenig darauf hingedeutet, daß Alfred Percival Maudslay (1850-1931) einmal dschungelüberwucherte Maya-Ruinen erforschen und durch seine Ausgrabungen und die Dokumentation seiner Funde zum Pionier der Altamerikanistik werden würde; abgesehen vielleicht von seiner früh erwachten Liebe zu Pflanzen und einem gewissen ererbten Hang zu wissenschaftlicher Gründlichkeit.
Palenque, 'Casa No. 1', Zeichnung von F. Catherwood Aus einer berühmten Londoner Ingenieursfamilie stammend, hatte Maudslay nach einer Kindheit, die ziemlich viel klassische Erziehung beeinhaltet hatte, beschlossen, Botanik und Vergleichende Anatomie zu studieren, um Arzt zu werden. Nach seiner Graduierung gab er diese Pläne allerdings seiner angeschlagenen Gesundheit wegen wieder auf. Statt dessen plante er nun, im warmen Klima Jamaicas Tabak anzubauen.

Verschiedene Umstände verschlugen ihn jedoch nach Trinidad und von dort schließlich nach Queensland, Australien, wo er als Privatsekretär von Gouverneur Cairns arbeitete. Da es ihm bei Cairns bald zu langweilig wurde, nahm er 1875 die Gelegenheit wahr, sich Sir Arthur Gordon, dem neuen Gouverneur der gerade zur britischen Kronkolonie gewordenen Fiji-Inseln, und dessen Familie anzuschließen. Auf den von kolonialer Administration noch nahezu unberührten Inseln Ovalau und Viti Levu erwachte sein Interesse für die Ethnologie.

Nach einigen Jahren im Staatsdienst beschloß Maudslay, die ihm in Aussicht stehende Karriere als Diplomat nicht weiter zu verfolgen, sondern sich fortan der Archäologie zu widmen. Was genau ihn zu diesem Beschluß bewegte, ist nicht bekannt. Einer Aussage zufolge soll es damals bloß der Wurf einer Münze gewesen sein, mit dem es sich entschied, daß er zu diesem Zweck nach Mittelamerika statt nach Ceylon reisen würde1.

Und so kam es, daß Alfred P. Maudslay, Bakkalaureus der Naturwissenschaften und Ex-Kolonialbeamter im West-Pazifik, es in Angriff nahm, die Hinterlassenschaften der prä-kolumbianischen Maya-Kulturen zu beschreiben und zu dokumentieren. Er war in diesem Gebiet der erste, der mit wissenschaftlicher Genauigkeit und Systematik Forschungen betrieb, und seine Arbeit sollte für die Entwicklung des Fachs der Altamerikanistik wegbereitend sein.


Maudslay verkörperte eine ausgewogene Mischung aus Gentleman und Self-made Man, von gelassenem und freundlichem Auftreten und dabei doch bestimmt und entschlossen. Er hatte, so scheint es, im Umgang mit gerade erst zum Christentum konvertierten Kannibalen auf den Fiji-Inseln ebensowenig Probleme wie mit Staatsmännern jeglicher Nationalität.
Reisender und Diplomat, Photograph und Archäologe, Botaniker und Schriftsteller, könnte man ihn als ein klassisches "Victorian exemplar" bezeichnen, "the skilled and sophisticated amateur"2.

Doch trotz seiner Errungenschaften für die britische Kolonialpolitik und vor allem für die Archäologie Mesoamerikas sind Informationen über Alfred Maudslay recht spärlich gesät und nur an eher spezialisierterer Stelle zu finden. Während es beispielsweise über seinen Großvater Henry Maudslay, Erfinder der Gewindeschneide-Drehbank und anderer industrie-geschichtlich bedeutender Geräte, in der 2000er Ausgabe der "Encyclopaedia Britannica" einen umfangreichen Eintrag gibt, wird Alfred Maudslay mit keinem Wort erwähnt.

Das Londoner 'Museum of Mankind' an seinem alten Standort in Mayfair, 1998 Einer, der Nachforschungen über Maudslays Leben angestellt hat, ist der schottische Mayanist Ian Graham (Harvard University). Graham hat einige interessante Artikel über Maudslay geschrieben, und seine Arbeiten sind, neben Maudslays eigenen Schriften, der wichtigste Pfeiler meiner hier dargestellten Beschreibung von Maudslays Leben und Werk.

Den ersten Maudslay-Artikel aus der Feder Grahams3 las ich im Museum of Mankind, der ethnographischen Abteilung des British Museum, als ich dort im Herbst 1998 ein Praktikum absolvierte.
Das Museum war bereits für die Öffentlichkeit geschlossen, da man sich auf den Umzug nach Bloomsbury vorbereitete, und so wurden mein Mit-Praktikant und ich mit archivalischen Aufgaben betraut: man händigte uns die Photographien aus der Maudslay-Sammlung des British Museum aus, damit wir sie anhand der Abbildungen in den archäologischen Bänden der "Biologia Centrali-Americana" nach Ort und Jahr einordneten. Auf diesen wunderbaren Schwarz-Weiß-Photos sind die Ruinenorte, heute meist von parkmäßig-übersichtlichem Aussehen, noch größtenteils in von Dschungel überwuchertem Zustand zu sehen. Gleichzeitig waren viele der gemeißelten und stuckierten Details von Skulptur und Architektur noch in erheblich besserem Zustand als heute, da sie, seit mehreren Jahrzehnten "freigelegt", den Elementen, Grabräubern und Touristen ungeschützter trotzen müssen.

Nach erfolgter Zuordnung der Photos im Students´ Room des Museum of Mankind nahmen wir uns die Kästen mit den Glasnegativen der Photographien vor. Das selbstgefühlte Gewicht solcher mit jeweils etwa 20 Glasplatten gefüllter Holzkästen ließ uns Maudslays Expeditionen durch das unwegsame Gelände des zentralen Maya-Tieflands und über die Gebirgszüge Guatemalas schon mit anderen Augen sehen - und dabei war dies nur ein geringer Teil des Materials, das er mit sich geführt hatte!

Im Anschluß an die Arbeit mit den Photos und Glasnegativen begannen wir mit der Transkription der in der Sammlung befindlichen Feld-Tagebücher Maudslays. Diese Logbücher unterschiedlichen Aussehens füllte Maudslay während seiner Reisen mit teils tagebuchartigen Notizen, teils mit ausführlichen Beschreibungen, mit mehr oder weniger leicht durchschaubaren Berechnungen pekuniärer, geographischer oder klimatologischer Art sowie mit Zeichnungen und Entwürfen von Briefen.
Die eiliger geschriebenen Notizen sind manchmal schwer zu entziffern, aber in normalem Tempo geschrieben ist Maudslays Handschrift klar und gut lesbar.

Durch diese intensive Beschäftigung mit Maudslays Arbeit entstand die Idee zu gegenwärtig geöffneter Website, deren Thema im übrigen nicht so sehr die Beschreibung und Diskussion seiner archäologischen Arbeit en detail sein soll, als vielmehr die Betrachtung seines Lebens im Ganzen.
Dabei möchte ich zwar keinen Anspruch auf umfassende und lückenlose Darstellung seines Lebensweges erheben, habe jedoch versucht, allen seinen verschiedenen Lebensstationen gerecht zu werden.
Unter dem Menü-Punkt "Expeditionen" werden, u.a., auch Teile aus den noch nicht veröffentlichten Feld-Tagebücher Maudslays aus dem British Museum vorgestellt.


Sybille Kalinka
Studentin der Altamerikanistik, Universität Hamburg

P.S. Ich freue mich über jede e-mail mit Anmerkungen, kritisch oder lobend, und über weiterführende Informationen!!

 

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