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Menché/ Yaxchilán


 

Seine zweite Expedition führte Maudslay 1882 zunächst nach Quiriguá. Er blieb fünf Tage und reiste dann weiter über Cobán und Chinahá bis in den Petén, das dschungelbedeckte Tieflandgebiet, das sich über Nord-Guatemala und den südlichen Teil der yukatekischen Halbinsel erstreckt. Ehe er sich nach Tikal begab, wollte er einen Ruinenort am Río Usumacinta aufsuchen, von dem er von dem Deutschen Professor Edwin Rockstroh vom Instituto Nacional in Guatemala gehört hatte. Rockstroh war 1881, ein Jahr zuvor, im Zusammenhang mit Grenzstreitigkeiten zwischen Guatemala und Mexiko in dieser Region des Usumacinta-Laufes gewesen. Die noch unerforschten Ruinen, die er dort vorfand, nannte er Menché. Heute sind sie unter dem Namen Yaxchilán bekannt.

Zunächst wollte Maudslay einen Mr Schulte, Manager von Messrs. Jamet and Sastrés, Mahogany Cutters, treffen, um die Kanufahrt den Río de la Pasión hinab mit ihm zusammen zu unternehmen. Da er Schulte am 11. März in Sacluc verpaßte, ließ er ihn durch einen Boten bitten, in Paso Real, wo Schulte übernachten wollte, auf ihn zu warten.
Die Arbeitskräfte aus San Pedro, die Maudslay bereits für den vorangegangenen Teil seiner Reise angeheuert hatte, verpflichtete er für einen weiteren Monat, obwohl er wußte:

"It was the the purest slave driving. They did not want to stay at all and for some time refused to take the money but were told it was "orden superior" and finally Gorgonio put the money into their pockets and one by one marched them off after threats of prison from the Jefe. They said that they knew that they would all die of starvation on the road."124

Die Besorgung von Nahrungsmitteln gestaltete sich als schwierig, und Maudslay mußte einen weiteren Tag in Sacluc verbringen, ehe er genug Totoposte125 als Proviant bekommen konnte.

Am 13. März teilten sie sich auf: neun Mozos reisten mit Maudslay nach Paso Real, während der Rest mit Carlos und Dionicio López nach Tikal ging. Nachmittags kam die Maudslay-Abteilung in Paso Real an und fand Schulte, "who has been good enough to wait for me"126, dort noch vor.
Auch Carmanete, "a Mexian ladino who has charge of the ferry at the Paso"127, der im vorangegangenen Jahr Rockstrohs Führer nach Menché gewesen war, traf Maudslay hier an. Maudslay hatte einen Brief vom Jefe von Sacluc bei sich, in welchem Carmanete befohlen wurde, Maudslay nach Menché zu begleiten. Dies tat er "most unwillingly".

Am folgenden Tag paddelten sie los, flußabwärts. Der Pasión war fast ohne Strömung, und nachmittags begann es heftig zu regnen. Sie übernachteten in einer kleinen Ranch am steilen Flußufer. Diese Ranch befand sich sechs bis sieben Meter oberhalb des Flusses, aber das letzte Mal, da er dort gewesen war, hatte sie bis knapp unters Dach unter Wasser gestanden, erzählte Schulte.
Am 15. März erreichten sie die Mündung des Río Salinas und bogen in diesen Fluß ein. Bald darauf sichteten sie die Montería Acapulco, wo sie übernachteten. Am nächsten Morgen um 7.00 Uhr brachen sie erneut auf. Die Strömung des Flusses war stärker geworden, und es gab einige Stromschnellen, "but none of much account". Mittags machten sie in der Ranch einer kleinen Zuckerrohr-Plantage Rast, "and here Schulte managed by a good deal of lying to get another canoe for me"128.
Später passierten sie die Mündung des Río Lacandón, und zwei Meilen weiter erreichten sie einige halb erbaute Ranches am rechten Flußufer - der Ort, wo Schulte eine neue Montería errichten sollte, wenn sich der Baumbestand in der Umgebung als geeignet erwies.
Am nächsten Tag verabschiedete Maudslay sich von Schulte und fuhr weiter Richtung Menché. Der Fluß, notierte Maudslay, sah hier bereits viel malerischer aus, "particularly in the morning and evening lights"129.
An einer Sandbank bemerkten sie ein Kanu und einige Lacandonen: ein Mann, eine Frau und ein Kind. Als sie sich der Gruppe näherten, trat der Mann zu ihnen ("an uncough looking fellow with strong limbs, long black hair, complexion about the same as my ladino boys, dressed in one long sack-like garment of brown, splashed with round blots of some red dye, and of material much like sacking"130).
Der Mann unterhielt sich ein wenig mit Maudslays "boys" auf Maya. Etwas später suchte Maudslay ein Caribal, eine Ansammlung von Lacandonen-Gehöften, auf. Sie mußten vom Flußufer aus über 2 Meilen durch den Dschungel laufen, ehe sie auf eine Lichtung mit drei Häusern stießen. Die erste Bewohnerin, die sie antrafen, "had not the slightest trace of fear, she smiled quite happily and received us most courteously"131. Die Lacandonen-Frau erzählte ihnen, daß die Männer auf Jagd seien und nicht vor fünf Tagen zurückkehren würden. Aus dem Haus, aus dem nun eine weitere Frau trat, drang lautes Hundegebell. Man hielt Maudslay davon ab, sich das Innere des Hauses anzusehen; die dort eingeschlossenen Hunde seien "very savage". (Auf dem Rückweg von Menché suchten Maudslay und seine Männer dieses Caribal erneut auf. Diese Episode erzählt Maudslay ausführlicher in dem gemeinsam mit seiner Frau geschriebenen Reisebericht "A Glimpse at Guatemala", 1899; sie wird ebenfalls wiedergegeben in Robert Wauchopes "They found the Buried Cities" (erstmals 1965) und heißt hier "In the Village of the Savage Dogs").
Die Frauen, die Maudslay freundlich und gesprächig fand, "had features exactly like the faces at Palenque and Menche, receding forehead, hooked nose and big lips". Im Austausch mit Salz erstand man einige Bananen, Yams und Tomaten und verabredete mit der ersten Frau, daß sie ihnen Totoposte bereiten würde, welche einer von Maudslays Männern in ein paar Tagen abholen wollte. Die Bezahlung sollte eine Dollarmünze sein wie die, die an einer ihrer Halsketten hingen.
Maudslay und seine Männer kehrten zu den Kanus zurück und setzten ihre Reise flußabwärts fort. Der Besuch des Caribals hatte ihren Zeitplan verzögert, so daß sie an diesem Tag Menché nicht mehr erreichten und noch einmal in einigen verlassenen Hütten am Flußufer übernachten mußten.

Structure 33, Yaxchilán Als sie am folgenden Tag, dem 18. März, weiter fuhren, zeigte ihnen bald ein am linken Flußufer aufgetürmter Steinhaufen an, wo sie Halt machen mußten.

"We soon scrambled up the rough river-bank and began to cut our way through the undergrowth in search of the ancient buildings, which we found on a succession of terraces rising in all about 250 feet from the river."132

Maudslay quartierte sich mit Gorgonio im Tempel K (Struktur 33) ein "which was in fairly good preservation and rather wider than any I had seen at Tikal."133 Der Boden war mit losen Steinen sowie mit Ton-Gefäßen bedeckt, in denen Maudslay überreste einer harzigen, verbrannten Substanz entdeckte. Diese Gefäße, vermutete Maudslay, waren wohl von Lacandonen in jüngerer Zeit hergebracht worden.

Halsbandpekari Nach einer Begegnung mit einer Pekari-Herde (sie konnten zwei Tiere schießen, wobei Maudslays Opfer, das zunächst nur verwundet war, kehrtmachte und auf Maudslay zulief; dieser hatte keine Zeit nachzuladen und beeilte sich - "as I had heard that they charge fiercely when wounded"134 - sich auf einen Baum zu retten, ehe das Cochino de Monte (Waldschwein) schwächer wurde und von Maudslay endgültig erledigt werden konnte) machten sie weiter Jagd auf Ruinen. Die steinernen, skulptierten Türstürze in den Hauseingängen, von denen ihm schon am ersten Tag mehrere auffielen, fand Maudslay "very well done". Er fand auch einige Steine, die ihm Stalagtiten zu sein schienen, die aus einer Höhle hergebracht worden waren.

Am folgenden Tag ließ Maudslay Unterholz auf und um die Ruinen roden ("mosos worked well - bogas [Ruder-Männer] rather lazy"135). Er machte einige Fotos und fing mit ersten Vermessungen der Ruinen an. Sie fanden auch einen Türsturz, der von Rockstroh und seinen Männern ein Jahr zuvor mit äxten geteilt worden war, um ihn kleiner und besser transportabel zu machen. Da dies nicht in dem gewünschten Maße funktioniert hatte, hatte ihn Rockstroh dann doch zurückgelassen. Nun schickte Maudslay seine Männer an die Arbeit, den Lintel weiter zurechtzukürzen.
Am 20. März arbeitete Maudslay weiter an seinen Lageplan ("on the whole fairly pleased"), schickte einige Männer auf Jagd, zur Frischfleischversorgung, und entsandte drei andere zu dem Lacandonen-Caribal, um, wie ausgemacht, Totoposte abzuholen.

In der "Biologia Centrali-Americana" beschreibt Maudslay die folgenden Ereignisse:

"On the morning of the 20th three of my men were sent in a canoe up-stream to the "caribal" to get the supply of totoposte I had ordered from the Lacandones; they returned the next day without much food, but handed me something they had brought with them carefully wrapped up in paper, which, much to my surprise, proved to be a card from M. Désiré Charnay, the lead of a Franco-American scientific exploring expedition, who for two years had been at work examining the antiquities of Mexico and Yucatan."136

Maudslay war nicht nur überrascht, sondern "not best pleased" über diesen neuen Mit-Forscher: "I expect a small [smart?] scientific expedition which will swamp my work."137
Nichtsdestotrotz schickte Maudslay Charnay, der keine Kanus hatte und daher mit kleinen, von den Lacandonen geborgten cayucos nach Menché übersetzten wollte, zu dessen überraschung seine eigenen Kanus, um ihm zu helfen:
Lager am 'Paso de Yaxchilán', D. Charnay "The next day I sent my canos aback for him, and, leaving his men camped at Yalchilan138, he arrived at the ruins with his secretary, and occupied a house, H, which we had cleared for him and he very kindly added his ample supply of provisions to my somethat meagre stock"139
Am folgenden Tag führte Maudslay Charnay durch die Ruinen, und Charnay "immediately set his Sec[retary] at work to take paper moulds of some of the carved lintels - It is a very easy process and I wish I had known of it before"140.

Désiré Charnay

Charnay, ein französischer Reisender, der wie Maudslay ein guter Fotograf mit archäologischen Interessen war, fotografierte schon seit 1858 mexikanische Ruinen.141. Seine aktuelle, bereits zwei Jahre andauernde Expedition durch Mittelamerika wurde von der französischen Regierung sowie von Pierre Lorillard, einem französisch-stämmigen Tabakhersteller mit Sitz in den USA finanziert. "To justify their investment in his expedition, Charnay was intensely anxious to discover a ruined city of some magnitude", schreibt Ian Graham142.
Daß Maudslay nicht übermäßig begeistert war, einen potentiellen Rivalen bei der Erforschung Menchés anzutreffen, wurde bereits erwähnt. Doch auch Charnay war nicht sehr froh, als er merkte, daß ihm kurz vor Ende seiner Expedition bei der Erkundung dieser nahezu unbekannten Ruinen ein anderer zuvorgekommen war, zudem einer, "whose fair looks and elastic step showed him to be an Englishman"143. Als er das Kanu mit den Männern, die Maudslay zu dem Caribal geschickt hatte, erstmals erblickte, zuckte "a horrible suspicion [...] across my mind, that they were men belonging to another expedition, who had forestalled me." Dies war leider wahr; als sich das Kanu näherte, mußte er erfahren, daß diese Männer zu "Don Alvaredo" gehörten, der sich bereits bei den Ruinen befinde.

Charnay zufolge versicherte Maudslay ihm jedoch bei ihrem ersten Treffen, er selbst sei nur ein Amateur und er, Charnay solle die Entdeckung der Ruinen ruhig für sich selbst beanspruchen und sie benennen, wie er wünsche:

"We shook hands; he knew my name, he told me his: Alfred Maudslay, Esq., from London; and as my looks betrayed the inward annoyance I felt: 'It´s all right,' he said; 'there is no reason why you should look so distressed. My having had the start of you was a mere chance, as it would have been mere chance had it been the other way. You need have no fear on my account, for I am only an amateur, travelling for pleasure. With you the case of course is different. But I do not intend to publish anything. Come, I have had a place got ready; and as for the ruins I make them over to you. You can name the town, claim to have discovered it, in fact do what you please, I shall not interefere with you in any way, and you may even dispense with mentioning my name if you so please.' I was deeply touched with his kind manner, and I am only too charmed to share with him the glory of having explored this city. We lived and worked together like two brothers, and we parted the best friends of the world."144

Diese Begegnung, die Charnay hier so charmant, wenn auch offenbar in etwas eigennützig-überzogener Weise beschreibt, und das anschließende brüdergleiche Zusammenleben und -arbeiten sollte vier Tage dauern. Charnay nannte die Ruinen La Ville Lorillard (ein Name, der letztendlich ebensowenig haften bleiben sollte, wie "Menché"), fertigte Papierabdrücke einiger Inschriften und Ornamente an (den Rest seines Papiervorrates, den er nun nicht mehr benötigte, überließ er Maudslay) und erstaunte Maudslay mit seinen schnellen Schlüssen über den Ursprung der alten Zivilisation, deren überreste sie vor sich hatten. So schreibt Maudslay in seinem Tagebuch:

"[Charnay] does not strike me as a scientific traveller of much class - he is a pleasant talkative gentleman, thirsting for glory and wishes to be Professor of the History of American Civilisation in Paris - burst on me in the first ten minutes of our acquaintance with the fact that he had established a great theory about the ruined cities and that the work was done now once for all - which means that he had set to work to upset the utterly unnecessary theory that the cities are of great antiquity - and had clinched his agreement by finding in Yucatan the figure of a Spaniard on horseback amongst the sculptures - he says that as soon as he found that that all further interest in the work was ended!!"145

Am 26. März verließen sie alle die Ruinen und machten sich wieder auf die Reise; Charnay in Richtung Tenosique und dann zurück nach Paris, und Maudslay machte sich auf den Weg nach Tikal. Ehe Maudslay und Charnay am 27. voneinander verabschiedeten, kaufte Maudslay Charnay noch einige Äxte ab und erhielt von ihm außerdem noch Reis und Bohnen für seine Männer "and two bottles of wine and spirit for self".146

Er hatte beschlossen, aus Menché den erwähnten Türsturz aus Haus G (Lintel 15) mitzunehmen, den Rockstrohs Männer bereits mit Äxten bearbeitet hatten und den Maudslay seines immer noch zu großen Gewichtes wegen weiter verkleinerte.147 Zu einem späteren Zeitpunkt ließ er im Auftrag der Regierung von Guatemala einige weitere Türsturze von Gorgonio López aus Yaxchilán fortbringen (aus Haus F); Carolyn Tate schreibt dazu:

"Several of his [Maudslays] projects were destructive - he thinned eight of the lintels for their transport to London, in at least one case losing precious hieroglyphic inscriptions without recording them first, and according to a later researcher, Teobert Maler, the fires he built in the doorways of temples in order to dry the paper molds of the lintels caused cracking of some of those lintels."148

Zumindest der Vorwurf, ein von Maudslay entfernter Türsturz habe durch Maudslays Schuld einen Teil seiner Inschrift verloren, läßt sich entkräften. Bei diesem Türsturz muß es sich um den handeln, den bereits Rockstroh hatte bearbeiten lassen und den Maudslay, wie er in seinem Feld-Tagebuch schreibt, bereits teilweise zerbrochen vorfand. Bei den Teilen des Türsturzes, die Maudslay dann weiter entfernen ließ, handelte es sich um die unbearbeitete Rückseite des Steinblockes.

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